Lippe

Seit mehr als 2000 Jahren Tourismus

Die Schattenseiten – eine Retrospektive

Das heutige Lippe ist in weiten Teilen identisch mit dem ehemaligen Siedlungsgebiet des germanischen Stammes der Cherusker, ist eingebettet in ein liebliches Panorama von sanften Hügeln, weiten Wiesen und Feldern und endlosen Wäldern. Diese landschaftlichen Reize haben schon die Römer zu schätzen und zu nutzen gewusst. In gegenseitigem Einvernehmen mit der den damaligen Touristikbehörden wurden z.B. Ferienlager für die gestressten Legionäre der Rheinarmee errichtet, mit Wellnessoasen für die höheren Dienstgrade und jede Menge Amusement für den einfachen Soldaten. Die ortsansässigen Cherusker, weithin für ihre Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft berühmt, waren stets bemüht, ihren verwöhnten Gästen ein einzigartiges Erlebnis in angenehmem Ambiente zu bieten. Für lange Zeit waren die kulinarischen Köstlichkeiten aus Lippes Küche und Keller (besonders beliebt waren der Pickert und der Wacholderschnaps), das Kurmittelangebot gegen alle Gebrechen des Soldatenlebens, das breit gefächerte kulturelle Leben, doch vor allem das vielfältige Freizeitangebot im ganzen Imperium Romanum der letzte Schrei.

Obwohl die Infrastruktur weiter Teile Lippes noch in den sprichwörtlichen Kinderschuhen steckte, wurde dieses Manko doch bei weitem wettgemacht durch die Kompetenz und Freundlichkeit der germanischen Bevölkerung. Diese nahm ihre Aufgaben so ernst, dass sie – zu jener Zeit bei weitem keine Selbstverständlichkeit – ausgesuchte junge Leute nach Rom schickte, um dort die Gewohnheiten und Vorlieben ihrer zukünftigen Gäste zu studieren. Nach langen Jahren intensivster Schulung kehrten diese dann als hervorragend ausgebildetes Fachpersonal in die Heimat zurück und waren zukünftig in leitenden Positionen für die ständige Ausweitung des Freizeitangebots und die Exploration der heimischen Touristikindustrie zuständig. Die Einführung von Gruppentarifen, Pauschalangeboten, All Inclusives und Frühbucherrabatten für die Erholung suchenden Römer sorgte für eine stetige Zunahme vor allem an Saisontouristen, die oft von März bis Ende September eine entspannte und unvergessliche Zeit im schönen Lippe genossen und sich vom zuvorkommenden Personal verwöhnen ließen.

Leider wurde das harmonische Verhältnis von einem kleinen Vorfall überschattet, der sich vor etwas mehr als 2.000 Jahren, bei einer geführten Wanderung durch den heimischen Teutoburger Wald, ereignet hat. Hermann, ein Sohn des Segimir, trotz seiner Jugend ein versierter und allseits beliebter Fremdenführer, war gerade mit einer großen (Kritiker meinten später, zu großen) Gruppe von Soldaten der 17., 18. und 19. Legion zu einem mehrtägigen Event mit Abenteuereinlagen, Biwak und Grillen in Richtung Haltern am See aufgebrochen, als ein fürchterliches Unwetter über die Wandergruppe hereinbrach. Im Nu waren die ohnehin nicht sehr guten Wege durch sintflutartig herniedergehenden Regen zu morastigen Pfaden geworden. Der Himmel verdunkelte sich am helllichten Tage, nur erhellt von ständig niedergehenden Blitzen.

Die abergläubigen Römer sahen in diesem Inferno wohl ein böses Zeichen ihrer Götter und irrten in totaler Konfusion durcheinander. Arminius erkannte, dass in dieser Situation die Ordnung durch einen Einzelnen nicht wieder herzustellen war. So ermahnte er den Leiter der römischen Gruppe, Quinctilius Varus, den gegenwärtigen Standort keinesfalls zu verlassen, bis er mit Unterstützung zurückkäme. Überall, wo Arminius auf germanische Ansiedlungen traf, strömten ihm hilfsbereite Stammesbrüder zu, die bereit waren, für die in Not geratenen Römer das Möglichste zu tun um Hilfe zu leisten. Als er bereits nach wenigen Stunden mit seinen Begleitern den Lagerort der Römer im Wald erreichte, war dieser menschenleer. Die sofort eingeleitete Suche, eine bis dahin beispiellose Aktion, zeitigte auch nach mehreren Tagen nicht den geringsten Erfolg. Außer etlichen Ausrüstungsgegenständen im sumpfigen Gebiet, war keine Spur von den bedauernswerten Menschen zu finden. Die Anteilnahme in der Bevölkerung war so überwältigend und nachhaltig, dass sogar bis zum heutigen Tag und mit modernstem Gerät versucht wird, das rätselhafte Verschwinden des Varus und seiner Gruppe aufzuklären.

Wenn man bedenkt, was Ortsunkundigen, vor allem, wenn sie die Anordnungen der ausgebildeten Fremdenführer nicht beherzigen, in unwegsamem Gebiet widerfahren kann, so ist es leider unvermeidlich, dass es gelegentlich zu kleineren Zwischenfällen kommt. In diesem speziellen Fall wurde zudem die sorgfältige Planung seitens der Veranstalter durch den Umstand gefährdet, dass Quinctilius Varus für eine derart große Gruppe nur einen einzigen einheimischen Führer gebucht hat; das war schlichtweg Sparen am falschen Ende. Durch die römischen Schriftsteller Paterculus und Tacitus wurde uns überliefert, Caesar Augustus in Rom habe noch Monate nach Bekanntwerden des Unfalls anklagend „ Varus, redde legiones!“ gerufen. Ein Beweis, dass auch der Kaiser den eindeutig Schuldigen in seinem Landsmann und dessen unverantwortlichem Verhalten gesehen hat. Auch war es ja durchaus kein Geheimnis, dass Varus zwar als genialer Verwaltungsbeamter bekannt war, jedoch in Truppenführung und Menschenkenntnis ein gewisses Defizit aufzuweisen hatte.

Berücksichtigt man die Tatsache, dass die einheimische Bevölkerung alles Menschenmögliche getan hat, die Umstände dieses tragischen Unfalls zu erhellen, so erscheint es nahezu unverständlich, dass ausgerechnet ein derart harmloser Zwischenfall über viele Jahrhunderte das Verhältnis von Römern und Germanen so nachhaltig belastet hat, dass es außer zu gelegentlichen Anfeindungen zu keinen weiteren Gemeinsamkeiten kam.

Erst seit wenigen Jahrzehnten hat sich das Verhältnis zwischen Italikern und Teutonen erheblich verbessert. So soll es sogar den einen oder anderen ehemaligen Legionär geben, der sich in Lippe niedergelassen hat um näher bei seinen Ahnen zu sein.

Rückblickend betrachtet kann festgestellt werden, dass der zuvor beschriebene Zwischenfall zwar das nachbarschaftliche Verhältnis zwischen Römern und Germanen zwischenzeitlich etwas getrübt hatte, er aber insgesamt der Entwicklung des Tourismus in der Region mehr genutzt als geschadet hat – waren die Römer doch nicht überall in Europa so gern gesehene Gäste wie bei uns. Vielleicht hatte aber auch Tacitus recht, als er in seiner `Gernania´, etwas gehässig allerdings, über unsere Vorväter bemerkte:     „ Pigrum quin immo et iners videtur sudore acquirere, quod possis sanguine parare.“

Seien wir nicht auch noch eingeschnappt und belassen es einfach dabei.

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